#ProProvenienzforschung – Ein Plädoyer für mehr Provenienzforschung an Universitäten
- Tanja Bernsau
- 25. Apr. 2014
- 2 Min. Lesezeit
Die aktuelle Debatte um den Fall Gurlitt zeigt, dass das Thema des NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts (NS-Raubkunst) bzw. kriegsbedingt verbrachten Kulturguts (Beutekunst) noch lange nicht abgeschlossen ist. Die Datenbank „Lost Art“ der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste listet zahllose Suchmeldungen auf, Kunstwerke meist jüdischer Provenienz, die seit der NS-Zeit verschollen sind. Noch immer erwarten die Museen Rückforderungsanträge auf Kunstwerke, die den Eltern und Großeltern der Antragssteller in der NS-Zeit „verfolgungsbedingt entzogen“ wurden. Die ehemaligen Eigentümer wurden zu Opfern des Holocausts, ihre Besitztümer kamen auf mehr oder weniger direkten Weg in Museen, in den Kunsthandel und in Privatsammlungen. Gleichzeitig gibt es bei „Lost Art“ auch Fundmeldungen von Kunstwerken, von denen man zwar weiß, dass sie Raub- und Beutekunst sind, aber zu denen (noch) kein Erbe gefunden werden konnte.
Provenienzforschung, die Klärung der Herkunftsgeschichte eines Kunstgegenstandes, vor allem für die Erwerbsumstände zwischen 1933 und 1945 hat lange Zeit keine Rolle in der deutschen, aber auch der internationalen Kunstlandschaft gespielt. Erst spät, mit der Washingtoner Erklärung aus dem Jahr 1998, nahm man sich auf internationalem Parkett dieses Themas wieder an. Zunächst schleppend lief dann auch die Provenienzforschung in Deutschland an, indem einige wenige Stellen an den Museen etabliert wurden, finanziell gefördert durch Bundesmittel und zunehmend auch inhaltlich unterstützt durch etwa das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste (vormals: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste) mit der Lost Art-Datenbank, der „Arbeitsstelle für Provenienzforschung“ oder einzelnen Institutionen wie der „Forschungsstelle für Entartete Kunst“ der FU Berlin. Seit einigen Jahren gibt es an der FU Berlin den Weiterbildungslehrgang für Provenienzforschung, der Nachwuchskräfte für diese Aufgabe qualifiziert. Die Problematik findet also langsam Eingang in die akademische Lehre.
Immer mehr Museen beschäftigen heute hauptamtliche Provenienzforscher, die für einzelne Sammlungsstücke prüfen, wann und wie sie in den Museumsbestand gelangt sind. So konnte es einzelnen Museen gelingen, zumindest einen Teil ihrer Sammlung hinsichtlich der Erwerbsumstände während der NS-Zeit zu untersuchen und auch schon zahlreiche Restitutionsfälle einzuleiten. Schlaglichtartig fügen sie durch ihre Provenienzrecherche am einzelnen Objekt ein Puzzleteil in das Gesamtbild der NS-Kulturpolitik.
Wir wissen heute schon recht viel etwa über das „Projekt Entartete Kunst“, wir wissen, dass nicht nur Hitler, sondern auch andere Nationalsozialisten hohen Rangs Kunstwerke auf mehr oder weniger kriminelle Weise in ihren Besitz brachten. Aber noch immer gibt es Bereiche der NS-Kunstpolitik, die nicht vollständig aufgeklärt sind. Wertvolle Grundlagenarbeit, die die akuten Einzelfall-Recherchen in den Museen unterstützen kann, entsteht durch in der Regel externe Kunsthistoriker und Forscher anderer Fachbereiche. Sie verschafft einen Überblick etwa über bestimmte Kunsthändler, Sammler oder bestimmte geografische Gebiete. Die Publikationen – so es denn zu einer Veröffentlichung kommt – können als Findbuch für die Puzzleteil-Untersuchung am aktuellen Fall dienen.
Deshalb plädiere ich für mehr Grundlagenforschung zu Raub- und Beutekunst an den Universitäten – mehr thematische Projekte, mehr Forschungsvorhaben und die Unterstützung von Abschlussarbeiten zu diesem Themenbereich. Dabei sind Kooperationsprojekte mit örtlichen Museen, Städten, Kultur-Institutionen, aber auch mit Privatsammlern denkbar. An Universitäten erzielte Forschungsergebnisse können weiteres Licht in das noch schattige Gebiet bringen und unterstützen wiederum die praktischen Provenienzrecherchen in konkreten Fällen. Gleichzeitig verbessert das bessere Grundlagenwissen die Basis für die akademische Ausbildung in diesem Bereich. Mehr Grundlagenforschung kann helfen, dass wir das Thema Provenienzforschung für die NS-Zeit irgendwann einmal abschließen können.
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