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Eugénie, komm zurück!

Ein Raub im Herzen des kulturellen Europas – und das am helllichten Vormittag: Am 19. Oktober 2025 stiegen vier maskierte Männer über eine Hebebühne in die Galerie d’Apollon des Pariser Louvre ein. Innerhalb weniger Minuten zertrümmerten sie zwei Vitrinen und entwendeten acht Schmuckstücke aus der französischen Kronjuwelen-Sammlung – darunter die Krone der Kaiserin Eugénie. Der geschätzte Wert: rund 88 Millionen Euro.


Ein spektakulärer Fall, der Erinnerungen an den Diebstahl der Saliera in Wien im Jahr 2003 weckt – auch dort kletterte ein Täter über ein Gerüst und verschwand mit dem goldenen Salzfass Benvenuto Cellinis in die Nacht. Beide Taten zeigen, wie verwundbar selbst die am besten gesicherten Museen sind, wenn Präzision, Planung und Dreistigkeit zusammentreffen.


Doch jenseits des Staunens über die Tat stellt sich die Frage: Warum raubt jemand Kunst, die er nie verkaufen kann?


Die gestohlenen Juwelen sind zu berühmt, zu gut dokumentiert, um auf dem Schwarzmarkt zu kursieren. Ihr ikonischer Wert macht sie praktisch unverkäuflich. Wer also riskiert ein derartiges Verbrechen – und zu welchem Zweck?


Zwei Motive erscheinen plausibel:


a) Der Sammler im Schatten. Ein klassisches, fast romantisches Bild: Ein Liebhaber von Kunst oder Geschichte, der das Objekt seiner Begierde besitzen will – nicht um es zu zeigen, sondern um es zu haben. Ein privates Geheimnis, gespeist aus Macht, Nähe und Kontrolle. In einer Welt, in der Kunst öffentlich zugänglich sein soll, steht dieser Typus für das Gegenteil: Aneignung statt Teilhabe. Besitz als Intimität. Es ist ein Klischee - aber es gibt sie.


b) Artnapping – Erpressung mit Ästhetik. Weniger Leidenschaft, mehr Kalkül. Kunstwerke werden nicht geraubt, um behalten, sondern um als Geisel eingesetzt zu werden. Der Druck richtet sich nicht gegen die Öffentlichkeit, sondern gegen Institutionen oder Versicherungen. Die Drohung: Zerstörung gegen Geld. Kunst als Pfand – das vielleicht perfideste aller ökonomischen Spiele. Allerdings: Die Juwelen waren nicht versichert. In diesem Fall wäre also der Louvre die Anlaufstelle für die Lösegeldforderung, nicht eine Versicherung, was in der Regel eine größere Aufmerksamkeit mit sich bringt.


Beide Varianten führen zum selben Punkt: Kunst verliert in diesen Momenten ihren öffentlichen Auftrag. Sie wird Objekt privater Interessen, Symbol für Macht oder Geld.


Der Louvre-Raub ist damit nicht nur ein Kriminalfall, sondern ein Brennglas auf unseren Umgang mit kulturellem Erbe. Auf die Frage, wie viel Sicherheit Schönheit braucht – und wem sie überhaupt gehört.


Denn solange Menschen bereit sind, alles zu riskieren, um Kunst zu besitzen oder mit ihr zu handeln, bleibt sie, bei aller Verwundbarkeit, das, was sie immer war: ein Zeichen von Wert, das sich nicht in Geld messen lässt.

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