Edith Standen – Eine Monuments Woman zwischen Pflicht und Verantwortung
- Tanja Bernsau
- 3. Juni
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Juni

Wenn heute vom „Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg“ die Rede ist, fällt oft der Begriff „Monuments Men“. Doch dieser Name täuscht – denn unter den Kunstschutzoffizieren der Alliierten waren auch zahlreiche Frauen. Eine von ihnen: Edith Appleton Standen.
Geboren 1905 im kanadischen Nova Scotia, aufgewachsen in England und Irland, absolvierte Edith Standen ein Studium in Oxford. 1926 machte sie ihren Abschluss in Englisch mit Auszeichnung. Zwei Jahre später wanderte sie in die USA aus und begann dort ihre Laufbahn im Museumswesen. Sie arbeitete zunächst für die Society for the Preservation of New England Antiquities, nahm am renommierten Museumskunde-Kurs bei Paul Sachs am Fogg Art Museum teil und wurde schließlich Sekretärin der Widener Collection in Elkins Park. Als diese 1942 der National Gallery of Art gestiftet wurde, begleitete sie den Übergang.
Im selben Jahr erhielt Standen die US-amerikanische Staatsbürgerschaft – und trat dem Women’s Army Corps bei. Aufgrund ihrer Ausbildung wurde sie der Kunstschutz-Einheit MFA&A zugeteilt. Im Juni 1945 kam sie nach Deutschland.
Eine Liste mit Folgen
Im Herbst 1945 war Edith Standen widerwillig an der Auswahl von Kunstwerken beteiligt, die durch die US-Armee außer Landes gebracht werden sollten. Sie erstellte eine Liste mit 15 Gemälden – ausschließlich solchen, die sie selbst in den Central Collecting Points Wiesbaden und Marburg gesehen hatte und die Museen außerhalb der amerikanischen Besatzungszone gehörten.
„I rather hated doing it, Bancel [LaFarge] and Charles Kuhn take the line that supplying information is not actually supplying an infamous policy, so I go along.“(Brief von Edith Standen an John Nicolas Brown, 28.10.1945)
Trotz ihrer persönlichen Bedenken war Standen damit offiziell beteiligt – und gleichzeitig Mitunterzeichnerin des Wiesbadener Manifests, das sich gegen die Kunsttransporte in die USA wandte.
Leitung des CCP Wiesbaden
Im März 1946 übernahm sie die Leitung des Central Collecting Points in Wiesbaden von Walter Farmer. Während ihrer Amtszeit wurden Kunstwerke weiter inventarisiert und restituiert. Auch das im April 1946 in Kraft getretene Militärgesetz Nr. 52, das zur Rückgabe von Raubkunst verpflichtete, fiel in ihre Amtszeit.
Standen war an mehreren Ausstellungen beteiligt: Ausstellung II und III fanden unter ihrer Leitung statt. Bereits bei Ausstellung I war sie in Wiesbaden anwesend, wobei ihre genaue Rolle unklar bleibt. Für die vierte Ausstellung, „Bilder zur Weihnacht“, verfasste sie die Einleitung zum Katalog – war aber während der Laufzeit nicht mehr vor Ort.
Leider sind keine detaillierten Aufzeichnungen über ihre kuratorische Arbeit erhalten, auch die Ausstellungskataloge geben wenig Aufschluss: Für Ausstellung II wurde kein Katalog erstellt, bei Ausstellung III stammt der Text nicht von ihr.
Versetzung nach Stuttgart
Ende 1946 wurde Standen beurlaubt. Nach ihrer Rückkehr trat sie im Februar 1947 ihren Dienst in Stuttgart an – als Captain der MFA&A-Abteilung in der Education and Cultural Relations Division des Office of Military Government for Wuerttemberg-Baden. Dort bearbeitete sie unter anderem Meldungen zu Kunstwerken, die während des Kriegs von Deutschen aus besetzten Gebieten mitgebracht worden waren.
Am 30. August 1947 kehrte Edith Standen in die USA zurück.
Neuanfang am Metropolitan Museum of Art
In New York übernahm sie die Position als Associate Curator am Metropolitan Museum of Art. Ihr Fachgebiet: Textilien – obwohl sie auf diesem Gebiet zunächst keine ausgewiesene Expertise hatte und die Aufgabe ursprünglich ablehnte. Von 1949 bis zu ihrer Pensionierung 1970 spezialisierte sie sich dennoch erfolgreich in diesem Bereich und veröffentlichte zahlreiche Publikationen. Auch nach ihrem offiziellen Ausscheiden stand sie dem Museum als Beraterin bis 1988 zur Verfügung. Sie blieb unverheiratet und starb 1998.
Warum ich Edith Standens Geschichte erzähle
Ich möchte ein Buch über Edith Standen schreiben – und damit eine Frau sichtbar machen, deren Beitrag zur Kulturerhaltung nach dem Zweiten Weltkrieg bislang weitgehend unbeachtet geblieben ist.
Für die Finanzierung dieses Projekts habe ich eine Crowdfunding-Kampagne auf Startnext gestartet. Wenn du historische Forschung, biografisches Schreiben und die Erinnerung an außergewöhnliche Frauen unterstützen möchtest, freue ich mich über deine Beteiligung:
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